Meine Haare waren viele Jahre kein Problem. Der Status der Exotic war gebändigt in twists, also in umeinander geschlungenen Haarsträhnen, die der gemeine Deutsche gern als „so ne Art Dreads, aber anders“ bezeichnete.
Nun habe ich aufgrund eines Haarworkshops und dem Anblick vieler wundervoller Afro’s die Haare gelöst, mit Feuchtigkeit versorgt und durchgekämmt. Das Ergebnis ist erschreckend: Ich bekomme zwar viel Zuspruch, aber ich bin zutiefst unglücklich. Meine Haare fliessen nicht einem Wasserfall gleich auf meine Schultern, ergiessen sich nicht auf meinen Rücken sondern stehen einer Wolke gleich flauschig von meinem Kopf ab.
Das wollte ich nicht, ich erinnere mich aber, das es schon einmal so war: bevor ich die twistst hatte. Ich habe verschiedene Pflegeprodukte ausprobiert, Öle, Butter, Conditioner, Kuren. All die Produkte führen dazu, dass ich erneut erschrecke beim Blick in den Spiegel. Es scheint, als müsse ich darauf verzichten, meinen Haaren Feuchtigkeit, also Fett zuzuführen. Aber, entgegen anderslautender Vermutungen waren sie ja auch nie trocken. Nur eben fein, unbändig,leicht zerzaust, wirr.
Die Haare wollen sich einfach nicht in Bündeln zusammenlegen und dann als Spirale von meinem Kopf hängen, sie wollen sich voneinander abstossen und sich als überdimensionierte Haarhaube positionieren. Aber auch das wäre erträglich, wenn sie dann zumindest eine Frisur wären, der leiseste Windhauch oder eine Bewegung meines Kopfes führt aber zu einer anderen, von mir unerwünschten Form. Was ich möchte, ist weniger Volumen. Die Haare flusen um mein Gesicht herum. Sie legen sich vor meine Augen. Sie bleiben an meinem Gesicht kleben, wenn ich schwitze. Doofe Haare.
Ich bin in Deutschland aufgewachsen. Ich bin deutsch geprägt. Was diese afrikanisch-beeinflussten Haare von mir wollen, ist mir völlig unklar. Ich kannte in meiner Jugend nur Produkte für europäisches haar. Nun werde ich mich auf den Weg begeben müssen, etwas zu lernen, nämlich: ‚Haare, wie seid Ihr und was wollt ihr von mir?‘ Am einfachsten wäre es, ich würde sie wieder alle hübsch fein säuberlich verstauen und erneut eine gebändigte Frisur tragen, und ich denke täglich mehrmals darüber nach, aber ein bisschen reizt es mich auch, zu erfahren, was ‚being natural‘ für mich bedeuten könnte. Ganz sicher nicht selbstgefertigte kunstvolle Flechtfrisuren oder einen Watteballon aus Haaren, der im Winde tut was er will. Aber ich höre mich mir sagen: das ist wieder mein europäischer Blick auf mich und die Irritation über die Abweichung von der europäischen Norm. Freundschaft zu schliessen mit diesen feinen Locken fällt mir schwer. Wünscht mir Glück, ja?
9. Juli 2013 at 20:39
Ich finde den Text bewegend, auch wenn es ein Thema ist bei dem ich so gar nichts aus eigener Erfahrung sagen kann. In jedem Fall wünsche ich dir Glück, ja. 🙂
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9. Juli 2013 at 21:10
viel von diesem glück.
von herzen.
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